Sommertag

Nikolaus Brass
Kammeroper nach Jon Fosse
Münchner Biennale

Premiere: 12. Mai 2014

Konzeption, Text und Komposition: Nikolaus Brass
Konzeption und Dramaturgie: Waltraud Lehner
Konzeption, Bühne und Kostüme: Katherina Kopp
Inszenierung: Christian Marten-Molnár
Video: Georg Lendorff
Junge Frau Sarah Maria Sun
Ältere Frau Truike van der Poel
Die Freundin Susanne Leitz-Lorey
Asle: Martin Nagy
Der Mann: Andreas Fischer
Der Andere: Christian Stübner
Viola: Gunter Pretzel
Kontrabass: Stephan Lanius
Akkordeon: Kai Wangler
Schlagzeug: Fabian Strauß
Violine: Joe Rappaport
Klarinette: Oliver Klenk

Mit "Sommertag" soll nach dem gleichnamigen Stück von Jon Fosse ein neues Musiktheater entstehen, in dem sich Sprache, Musik und Bilderwelten in integraler Weise zu einem Ausdruck des Ungesagten verbinden. Im engen Dialog wird ein Team um den Komponisten Nikolaus Brass, die Regisseurin Waltraud Lehner und die Ausstatterin Katherina Kopp mit ausgewählten Instrumentalisten der Münchner freien Szene und den Neuen Vokalsolisten Stuttgart eine Musikalisierung und Visualisierung von Fosses Sprachraum entwickeln, um das Unsichtbare hörbar und das Unhörbare sichtbar zu machen.

 

In "Sommertag" geht es um das vergebliche Warten einer Frau auf ihren Mann, der aufs Meer hinaus gefahren ist. Erzählt wird in Form einer Rückblende, wie die Frau am Fjord an einem Sommertag Besuch von ihrer Freundin hat. Dieser Besuch löst in der Frau die Erinnerung an den Tag im Herbst vor Jahren aus, an dem ihr Mann in einem kleinen Ruderboot auf den Fjord gefahren ist und sie allein zurückgelassen hat. Sie begegnet dabei ihrer Vergangenheit, Früher und Heute, Vorstellung und Wirklichkeit verschwimmen.

 

Unter einer lapidaren, alltagssprachlichen Oberfläche führt der Text von Fosse einen reichen, hochemotionalisierten, aber unausgesprochenen Subtext mit. Diese Text- und Sprachstruktur bietet idealen Raum zur Musikalisierung, und nicht "Vertonung".
Um die Realität und Wirkmächtigkeit der Innenräume der Charaktere musikalisch authentisch zu verorten, bedarf es einer Kompositionsweise, welche den Innenraum der Ausführenden mit einbezieht. Deshalb wird die Komposition weitgehend auf dem Prinzip der vom Komponisten weiterentwickelten „sich selbst organisierenden Musik" beruhen. Die notierten Vorgaben werden von den SolistInnen in einem definierten Zeitrahmen jeweils aktuell und im Augenblick der Interaktion realisiert. Über weite Strecken wird keine Partitur ausgeschrieben, sondern die Parts der Gesangs- und InstrumentalsolistInnen werden in Einzelstimmen, überwiegend in Proportionalnotation festgehalten; dadurch gibt es für die Beteiligten kein genaues gemeinsames Tempo, jeder der Ausführenden agiert in seiner „Eigenzeit“; der Zusammenklang, die musikalische und textliche „Vertikale“ wird nicht absolut fixiert, sondern subjektiv und relativ zu einander und miteinander gestaltet.

 

Im Prozess des Stückes wird das Ensemble aus fünf SängerdarstellerInnen – die junge und die alte Frau, ihr Mann Asle, die junge/alte Freundin, der Mann der Freundin – und sechs InstrumentalsolistInnen sowie einem Tänzer zu einem kollektiven Protagonisten, dessen versuchte oder verweigerte Selbstbegegnung sich unmittelbar auf den Zuschauer übertragen. Die Präsenz der SängerInnen wird durch die InstrumentalistInnen und in einzelnen Szenen durch einen Tänzer aufgespalten und gedoppelt. Dabei werden Raum, Licht, Bewegung und Musik in eine, mit der Textstruktur korrespondierende, polyphone Ordnung gebracht. Das Geschehen entwickelt sich gleichsam aus der Polyphonie des „Unausgesprochenen“ des Textes.
Die Partien der SängerInnen werden ebenso instrumental geführt wie einige Passagen der InstrumentalistInnen szenisch umgesetzt. Alle SolistInnen bzw. Akteure greifen über die Hervorbringung von Musik hinaus in den szenischen Ablauf ein und agieren interaktiv miteinander und mit dem Zuschauer, der auf diese Weise Teil des Prozesses wird. Für dieses Ineinandergreifen bedarf es eines „integralen“ Raumes. In einem Aktionsraum ohne Trennung von Zuschauerraum und „Bühne“ geht es für Akteure wie für Zuschauer im szenischen Erleben um Lebenszeit, um eine theatrale Umsetzung in Echtzeit.
Abstrakte, nicht-narrative, monochrome Videoprojektionen werden das Ineinander von Innen- und Außenraum und die „verschobene“ Zeit- und Tiefendimension der Textstruktur konzentrieren. Zusätzlich können Textprojektionen das Gesagte kommentieren, unterminieren oder die Bedeutungsfelder verdeutlichen. Gleichzeitig werden über Ton-Zuspielungen Textbestandteile elektroakustisch verräumlicht und ermöglichen die (zeitweilige) Trennung von Stimme und Körper als integrales Element des polyphonen Ansatzes der Komposition.

 

Diese Prozesse setzen ein szenisch-musikalisches Labor zur Entwicklung von "Sommertag" voraus, das Komposition, Regie, Dramaturgie, Ausstattung und IterpretInnen in einem experimentellen Ansatz vereint. Dies ist nur mit ausgewiesenen Spezialisten für Neue Musik zu verwirklichen und sprengt die Arbeitsbedingungen, wie sie an Häusern mit festen Ensembles und gängigem Repertoire vorherrschen. Dafür ist die beabsichtigte Zusammenarbeit des Münchener Regieteams und ausgewählter MusikerInnen der Münchener freien Szene, die sich als Solisten und als Mitglieder von ensemble Coriolis, Xsemble oder ensemble triolog im Rahmen internationaler Festivals, der Biennale oder eigener Münchner Konzertreihen für avancierte Musik einen Namen gemacht haben mit dem in neuer Musik weltweit führenden freien SängerInnen-Kollektivs der Neuen Vokalsolisten Stuttgart in ihrer langjährigen professionellen Erfahrung im Umgang mit der szenisch-musikalischen Umsetzung von neuer Musik, ideal.

Eine Veranstaltung der Sommertag – Nikolaus Brass, Waltraud Lehner und Katherina Kopp GbR (Hauptveranstalter) und des Kulturreferats der Landeshauptstadt München (Mitveranstalter) im Rahmen der Münchener Biennale

in Kooperation mit 2eleven || zeitgenössische musik projekte und Schwere Reiter MUSIK

Gefördert durch

Kulturreferat der Landeshauptstadt München, Ernst von Siemens Musikstiftung, Fonds Darstellende Künste, Allianz Kulturstiftung und Königliche Norwegische Botschaft.
Komposition finanziert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung.