Orpheus & Eurydike |
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Eine Collage über den Mythos von "Orpheus und Eurydike" aus vier Jahrhunderten |
Reaktorhalle | 26. April 2019 |
Musikalische Leitung | Jan Müller-Wieland |
Regie | Waltraud Lehner |
Bühne und Video | Ulrich Frommhold |
Kostüme | Gewirk Werk: |
Claudia Karpfinger, Katharina Schmidt |
Sopran | Solomía Antonyak |
Sopran | Julia Duscher |
Sopran | Alisa Milosevic |
Sopran | Katharina Sandmeier |
Sopran | Magdalena Vollath |
Mezzosopran | Ilme Stahnke |
Tenor | Patrik Reiter/Magnus Dietrich |
Eurydikes Freiheit
„ALLES SEHNT SICH NACH DEM FEHLENDEN,
UND NICHTS SEHNT SICH NACH DEM, WAS NICHT FEHLT.“
– Jacques Lacan
In den meisten Darstellungen über den Orpheusmythos kommt eine Person immer wieder zu kurz: Eurydike. Sicher ist sie der Grund, warum sich Orpheus aufmacht, in die Unterwelt zu gehen. Eurydike scheint aber in vielen Erzählungen nur ein Mittel zu sein, damit Orpheus als tragischer Held existieren kann. Sie verschwindet dabei oft in seinem Schatten.
In unserem Musiktheater im Reaktor-Projekt hat uns genau dieses Ungleichgewicht zwischen den beiden Personen interessiert. Wie auch in den Erzählungen taucht im Bühnenbild Caravaggios Der Lautenspieler Orpheus als omnipräsenter Künstler auf. Statt wie der 'Held' dieses Bild permanent aufrecht zu erhalten, löst sich Eurydike von ihrem Mann. Für uns war bereits zu Beginn der Produktionsvorbereitung, bei der auch die Sängerinnen und Sänger beteiligt waren, klar, dass unser Fokus auf Eurydike liegt. Was verbindet Eurydike mit Orpheus? Was fühlt sie? Wie grenzt sie sich von Orpheus ab? Wie geht es ihr in der Unterwelt?
Im Allgemeinen umkreist jeder Mythos eine Leerstelle, für die er Organisationsmodelle vorschlägt. Sein Verhandeln von aporetischen Themen macht aus Unbekanntem Be- kanntes. So bietet der Mythos die Grundlage und den Zugang, um über Widersprüch- liches oder Unheimliches zu sprechen, es sich vertraut zu machen und ihm seine Gefährlichkeit zu nehmen. Bei Orpheus und Eurydike sind die Leerstellen vor allem die Fragen: Ist die Liebe stärker als der Tod? Welche Macht hat die Musik? Und warum blickt Orpheus zurück?
Für uns war in dieser Hinsicht ausschlaggebend, welche Beziehung Orpheus und Eurydike untereinander pflegen und welche zwischenmenschliche Situationen die Wendepunkte in dem antiken Mythos auslösen. Orpheus kann in der gesamten Zeit in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Eurydike gesehen werden. Er identifiziert sich über sie und würde im Falle ihres Weggehens auch sein Existieren verlieren.
Dabei könnte der Schlangenbiss oder auch die Vergewaltigung von Aristaios – wie es in in anderen Erzählungen berichtet wird – als eine Hilfestellung angesehen werden, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Der Tod Eurydikes muss also kein biologischer sein, denn für sie wandelt sich das Leben nur und setzt sich in der Unterwelt fort. Dort hat Eurydike die Möglichkeit, in Freiheit zu leben. (Julia Maschke)