Kopernikus.

 

opéra – rituel de mort

Claude Vivier
Münchener Biennale

Premiere: 11. Mai 2014

Musikalische Leitung: Konstantia Gourzi
Regie: Waltraud Lehner
Bühne: Ulrich Frommhold
Kostüme: Katherina Kopp
Licht: Johannes Horras, Ulrich Frommhold
ensemble oktopus
soprano colorature: Danae Kontora
soprano: Andromahi Raptis
mezzo-soprano: Luise Höcker
alto: Florence Losseau
baryton Martin: Jens Müller
baryton: Manuel Adt
basse: Alexander Kiechle
Läufer Sara Zarrabi
Susan Zarrabi
Anarchische Käfer Matthias Bein
Mirjam Künstner
Felicitas Weiß
Sara Zarrabi
Hl. Sebastian Umberto Ludovici
Photos: Adrienne Meister
Claude Vivier: Kopernikus. Opéra – Rituel de mort

Eine Produktion der Hochschule für Musik und Theater München im Rahmen des Internationalen Festivals für Neues Musiktheater der Münchner Biennale.

"Die Menschheit soll endlich aufhören, sich als Nabel der Welt zu fühlen und die Unendlichkeit zu spüren, die uns Menschen umgibt". So beschreibt Claude Vivier das zentrale Motiv von Kopernikus in seinem Vorwort zur Uraufführung 1980 in Montréal.

Mit einem Prolog von Lewis Carroll, dem Verfasser der phantastischen Geschichte Alice in Wonderland, deren Triebkräfte das Unvorhersehbare, Interventionen des Zufalls und alle möglichen Varianten des Wunderlichen sind, entwickelt der Komponist für seinen Kopernikus einen poetologischen Entwurf, der in der Narration und Dramaturgie jeder klassischen Oper zuwider läuft. Wie Alice dem Hasen hinterherlaufend gedankenlos durch das Erdloch in eine unbekannte, wundersame neue Welt eintaucht, entführt uns Vivier in eine unbekannte Welt: Die Gestalt der Feuergöttin Agni begegnet verschiedenen Mythen- und Sagengestalten wie dem Zauberer Merlin, der Königin der Nacht, Tristan und Isolde, einer Hexe, einem alten Mönch oder blinden Propheten sowie Mozart, der Titel gebenden Figur Kopernikus und dessen Mutter.

Die Begründung und Erklärung des heliozentrischen Weltbildes durch Nikolaus Kopernikus in dem Papst Paul III. gewidmeten und kurz vor seinem Tod veröffentlichten Text De Revolutionibus Orbium Coelestium von 1543, der vor allem das auf den Menschen konzentrierte Weltbild der katholischen Kirche erschütterte, nimmt Vivier zum Anlass, die Sprache als Vermittlerin von Wissen und Erkenntnis in Frage zu stellen. Über Onomatopöien und kunstsprachliche Ausdrucksformen, die an vorsprachliche Laute aus der Vergangenheit oder aus der Zukunft erinnern, kombiniert mit verstehbaren Worten existierender Sprachen wie dem Japanischen, Balinesischen, Polnischen, Deutschen oder Englischen legt der Komponist eine Spur, um in seiner eigenen musikalischen Textur neue Wahrnehmungsebenen zu eröffnen.

Ein Blick in die Partitur verrät die Entstehungszeit des Werks nicht. Vivier hat mit Kopernikus zeitlose Klänge geschaffen, aus der eigenen Sehnsucht heraus, die Unendlichkeit zu spüren. Immer wieder halten kompakte rhythmische Klänge und Melodien die Zuhörer in intensiver und atemberaubender Spannung. Der Komponist führt uns in eine Klangwelt ein, die voller neuer Informationen ist, obwohl das Stück schon vor über 30 Jahren komponiert wurde.

Um dem poetologischen Entwurf Viviers zu folgen und visuelle Wahrnehmungsgewohnheiten zu brechen wird das Team um die griechische Komponistin und Dirigentin Konstantia Gourzi, die Münchner Musiktheaterregisseurin Waltraud Lehner, den Bühnenbildner Ulrich Frommhold und die Kostümbildnerin Katherina Kopp die Raumgrenzen der 150 Zentimeter dicken Betonwände der Reaktorhalle aufbrechen und als Raum erkunden, der auf nichts als sich selbst verweist.

Unser Universum hat eine bekannte Ausdehnung von 100 000 000 000 000 000 000 000 Kilometern; von den ca. 100 Milliarden sichtbaren Galaxien mit je ca. 100 Milliarden Sternen (Sonnen) sind uns weniger als 5 % der gesamten Materie im Universum bekannt, die anderen 95 % liegen vollkommen im Dunkeln. So unvorstellbar diese Dimensionen sind, so groß ist die Rätselhaftigkeit der Welt. Das Wissen um das, was wir nicht wissen, wirft den Menschen auf sich selbst zurück und macht ganz im Sinne von Viviers Kopernikus die Unendlichkeit für den Menschen spürbar.