Kritiken

zu «Tosca»

Braunschweiger Zeitung , 14. August 2001 - Roland Comes
Der Mut hat sich gelohnt: Mit Giacomo Puccinis "Tosca" steht in diesem Jahr erstmals eine Oper des großen romantischen Repertoires auf dem Spielplan der Wernigeröder Schlossfestspiele. Und was da in der Regie von Waltraud Lehner und unter Christian Fitzners musikalischer Leitung zu sehen und zu hören ist, unterscheidet sich wohltuend von dem Breitwandkitsch, der diesem Werk häufig gerade bei Festivals angetan wird.
Nikolaus Porz hat im Innenhof des im neogotischen Stils errichteten Schlosses ein nüchternen, rein auf Funktionalität ausgerichtetes Bühnenbild samt einem riesigen Stahlgerüst geschaffen. Kein Raum für wohlige, märchenhafte Idylle wie früheren Opernaufführungen in Wernigerode, sondern ein Laboratorium, in dem Macht, Intrigen und äußerste Brutalität gedeihen.
In dieser Umgebung macht Waltraud Lehners Inszenierung deutlich, dass "Tosca" mehr sein kann als ein Sängerwettbewerb mit einem historischen Drama. Denn solange es solche sich an der Macht berauschende Bluthunde wie den Polizeichef Scarpia gibt, sind Menschen wie die Sängerin Floria Tosca und ihr Geliebter, der Maler Mario Cavaradossi, bedroht, nicht nur in ihrer Liebe, sondern in ihrer nackten Existenz.
Mit erbarmungsloser Konsequenz läuft dieser Taumel von Gewalt und Tod ab.
Göttinger Tageblatt , 13. August 2001 - Michael Schäfer

Eine große italienische Oper im Butzenscheiben Umfeld eines deutschen Schlosses? Spitze Türmchen, Brunnenfiguren aus Sandstein und efeuberankte Wände als Kulisse für lodernde Leidenschaft und brutale Gewalt?
Es funktioniert. Tatsächlich. Mit Puccinis "Tosca" haben die Wernigeröder Schlossfestspiele ein ungewöhnliches Experiment gewagt, das auf Anhieb geglückt ist. Die Premiere am Freitag war ein stürmischer Erfolg für das gesamte Ensemble einschließlich des Produktionsteams.
Die Regisseurin Waltraud Lehner (die schon im vergangenen Jahr mit einer Mozartschen "Entführung" ihr Publikum begeisterte) hat Puccinis melodramatisches Gefühlskino beim Wort genommen, baut wirkungsvolle Tableaus und animiert die Sängerinnen und Sänger zum Theaterspielen.
Die Inszenierung geht verdammt zu Herzen, vor allem, weil sich das Ensemble so mitreißend ins Zeug legt, leidet, schmachtet, liebt und hasst, dass es eine Freude ist.