Kritiken
zu «Tosca»
Nikolaus Porz hat im Innenhof des im neogotischen Stils errichteten Schlosses ein nüchternen, rein auf Funktionalität ausgerichtetes Bühnenbild samt einem riesigen Stahlgerüst geschaffen. Kein Raum für wohlige, märchenhafte Idylle wie früheren Opernaufführungen in Wernigerode, sondern ein Laboratorium, in dem Macht, Intrigen und äußerste Brutalität gedeihen.
In dieser Umgebung macht Waltraud Lehners Inszenierung deutlich, dass "Tosca" mehr sein kann als ein Sängerwettbewerb mit einem historischen Drama. Denn solange es solche sich an der Macht berauschende Bluthunde wie den Polizeichef Scarpia gibt, sind Menschen wie die Sängerin Floria Tosca und ihr Geliebter, der Maler Mario Cavaradossi, bedroht, nicht nur in ihrer Liebe, sondern in ihrer nackten Existenz.
Mit erbarmungsloser Konsequenz läuft dieser Taumel von Gewalt und Tod ab.
Eine große italienische Oper im Butzenscheiben Umfeld eines deutschen Schlosses? Spitze Türmchen, Brunnenfiguren aus Sandstein und efeuberankte Wände als Kulisse für lodernde Leidenschaft und brutale Gewalt?
Es funktioniert. Tatsächlich. Mit Puccinis "Tosca" haben die Wernigeröder Schlossfestspiele ein ungewöhnliches Experiment gewagt, das auf Anhieb geglückt ist. Die Premiere am Freitag war ein stürmischer Erfolg für das gesamte Ensemble einschließlich des Produktionsteams.
Die Regisseurin Waltraud Lehner (die schon im vergangenen Jahr mit einer Mozartschen "Entführung" ihr Publikum begeisterte) hat Puccinis melodramatisches Gefühlskino beim Wort genommen, baut wirkungsvolle Tableaus und animiert die Sängerinnen und Sänger zum Theaterspielen.
Die Inszenierung geht verdammt zu Herzen, vor allem, weil sich das Ensemble so mitreißend ins Zeug legt, leidet, schmachtet, liebt und hasst, dass es eine Freude ist.