Kritiken

zu «In den Stunden des Neumondes»

Berliner Zeitung , 12. Juli 2000 - Ulricke Wiebrecht
Sind es Maschinen, die das sirren, rattern, quietschen oder scheppern?
Die Geräusche, die früher den riesigen Raum füllten, werden jetzt nur noch zitiert: Sie sind Bestandteil von "energy – light – dream", einer Komposition von Gerhard Stäbler nach Texten von Heiner Müller, die am Sonnabend ihre Uraufführung erlebten. Seine Uraufführung hat Stäbler nicht für einen Konzertsaal geschrieben, sondern eigens für das Kraftwerke Vockerode bei Dessau, einen der größten Industriebauten Sachsen-Anhalts. Vierzig Jahre lang wurde in dem 250 Meter langen, fünfzig Meter breiten Gebäude Energie für eine ganze Region produziert. Nun sind seine Schornsteine Wahrzeichen der Verwandlungen, die im Städtedreieck Dessau-Bitterfeld-Wittenberg vonstatten gegangen und Motto der Expo-Korrespondenzregion sind.
So vielfältig, so langwierig und abstrakt diese Veränderungen mitunter sind – die Konzerte am vergangenen Wochenende haben sie auf eindrucksvolle Weise erlebbar gemacht.
Alle Mitwirkenden waren auf der Höhe des ehrgeizigen Unternehmens. Sie haben ein fast vierstündiges Kollektiv-Erlebnis bestritten, das in dieser Form einmalig war, aber richtungweisend für die nachindustrielle Zukunft der Region Sachsen-Anhalt sein dürfte.
die tageszeitung , 11. Juli 2000 - Björn Gottstein

Überzeugende Momente treten auf, wenn das Streichquartett die grundierende Begleitung zu Charles Ives' "The unanswered Question" abgibt und die hundert Meter entfernten, sinfonischen Streicher die trübe Akkordfolge nathlos im Pianissimo aufgreifen. Oder als Kai Stiefermanns heller und klarer Bariton zu Ende von Mahlers "Der Tambourg'sell" in einer hohen Ecke und in dunkler Melancholie verklingt.

Mitteldeutsche Zeitung , 10. Juli 2000 - Axel Nixdorf
Eine Einheit aus choreographierter Musik, Licht und Malerei sowie die Inbesitznahme des Raumes durch Orchester und Publikum waren versprochen. Das Versprechen wurde gehalten.
Das Spiel mit Identitäten am ersten Abend, die androgynen Darsteller, die Wanderungen im Orchester waren schlüssig und nachvollziehbar. Das rote Erglühen der Feilerhalle oder ihr Fahles Strahlen in eiskaltem Licht waren mehr als nur Light-Show. Sie hatten suggestive Kraft. Ja, beinahe müsste man sie technologische Liturgie im Kraftwerks-Dom nennen.