Kritiken
zu «Die Lustige Witwe»
Herbert Wernicke hätte es wohl gefallen, dass sein Basler Bühnenbild für den ersten Teil von Händels "Israel in Egypt", das letzte, was er vor seinem Tod im Frühjahr 2002 noch entwerfen konnte, in der Jubiläums-Inszenierung der "Lustigen Witwe" in Hannover einerseits konserviert, andererseits produktiv weiterentwickelt wird. Wenn Hanna Glawari ihr melancholisches "Vilja-Lied" im Anschluss an den 1. Akt ganz allein auf der Bühne singt, während der Chor nur aus dem Off antwortet, hebt sich die Decke magisch und gibt den Blick frei auf einen Sternenhimmel. Nach der Pause findet die Garten-Grill-Party der Glawari hinter der nun umgedrehten und als negatives Abbild goldglänzenden Rotunde statt; ein surrealistisches Bild, das mit der modernen Festgesellschaft auf einfachen Stühlen wunderbar kontrastiert.
Ein würdiges Geschenk zur hundertsten Wiederkehr der Uraufführung der "Lustigen Witwe" am 30. Dezember 1905 und eine schöne Hommage an einen der großen Regisseure des Musiktheaters.
Führt der Weg ins Glück über Leichen? In der hannoverschen Neuinszenierung von Franz Lehàrs Operette "Die Lustige Witwe" jedenfalls pflastern Leichen den Weg zweier Frauen ins Glück. Gleich zu Beginn sehen wir die Witwe, bevor sie lustig wurde: bei der Beerdigung des reichen Gatten. Und am Ende löst Botschafter Zeta den Gewissenskonflikt seiner Ehefrau Valencienne, indem er an Herzschmerz stirbt. Die Parallelhandlung rund um die Botschaftergattin Valencienne spitzt diese Inszenierung auf den unerwarteten, aber sichtlich willkommenen Witwenstand zu. Das ist zwar von der Handlung nicht vorgesehen, passt aber sehr gut zu der Inszenierung von Waltraud Lehner, die anders ist, als man das von der Operette erwartet. Zu den Klängen der Eröffnungstakte wird Zeta ruckzuck zu Grabe getragen, und seine Gattin Valencienne mutiert zur nächsten lustigen Witwe.
Operette vom Feinsten. Unbeschwert geht es durch den ersten Teil, der zur Ouvertüre mit einer Trauerfeier beginnt: Glawaris erster Gatte fährt hernieder – und aus dem Grab flattern die Geldscheine wie ein Schneesturm. Der zweite Teil zeigt, dass Waltraud Lehner diese Operette auch vom Inhalt her mit dem gegebenen Ernst behandelt. Denn Lehàrs Aristokratenszene basiert doch nur auf Imitation, ist eine Schein- und Spiegelwelt: zum Gartenfest geht es hinter die Botschaft, die sich ganz deutlich als Rückseite der Botschaftskulisse zeigt und den Blick hinter die Kulissen dieser aufgedrehten Vergnügungssucht freigibt.
Zweieinhalb Stunden ernsthafter Unterhaltung auf höchstem Niveau feierte das Publikum mit minutenlangem Applaus.