Kritiken

zu «Albert Herring»

Freie Presse , 16. März 2004 - Reinhold Lindner
„Albert Herring“ diese pfiffige heitere Oper des Engländers Benjamin Britten, rauschte am Sonntagabend über die Annaberger Premierenbühne, es war ein Fest des Musiktheaters.

Regisseurin Waltraud Lehner hilft dem Stück und allen Beteiligten derart auf die Beine, dass einen Hören und Sehen gleichermaßen in Anspruch nimmt. Oper, sinnlich, wie sie sein muss.
Dass man ungewöhnlicherweise beim stürmischen Schlussbeifall auch alle Orchestermitglieder mit ihrem Dirigenten Jonathan Seers auf die Bühne holte, hatte seinen guten Grund: Da gehörten sie hin, alle waren beisammen wie schon den ganzen kurzweiligen Abend lang. In dieser  hellen lichten Kammerbesetzung des Orchesters nuanciert die Partitur jede, aber auch jede Regung, die auf der Bühne vorgeht. Waltraud Lehner hat so bildhaft, wie die Musik ist, die Szenen ziseliert, hält mit vielen Einfällen das Spiel immer auf Trab, Seers am Pult ist ihr ein idealer Partner, denn der macht's ganz auf die feine Art.
Nun müssen die anderen nur noch alle gut singen und spielen. Sie sind bestens ausgestattet mit einem schnell wandelbaren Bühnenraum (Tilo Steffens) und charakterisierenden Kostümen (Frank Bloching), alles ist da. Die eifernde Creme der Kleinstadtgesellschaft, die sich als moralinsaures Maikomitee um die giftige Lady Billows (Maria Maxara) sammelt, hat sehr schön ausgespielte komödiantische Ensembleszenen, manchmal an der Grenze zur Groteske, manchmal mittendrin in der Parodie. Heimlich im Dunkeln vergnügen sich die Heuchler fleißig.